Indiens Geschäft mit den Leihmüttern vor dem Aus

Indien ist ein Billigziel für kinderlose Paare, die eine Leihmutter beauftragen. Doch ein neues Gesetz soll Ausländer künftig von dem lukrativen Geschäft ausschließen. Das zieht nun weiter.

Ein Mausklick, ein paar Details über Alter und Qualität der persönlichen Spermaprobe, und schon geht es los: in Indien können kinderlose Paare ihr Wunschkind preisgünstig, schnell und unkompliziert bestellen. Bisher jedenfalls. Der asiatische Subkontinent gilt durch seine liberalen Gesetze als eine Art Discount-Paradies für den Leihmutter-Tourismus. Kommerzielle Leihmutterschaft ist dort seit 2002 legal – und weitgehend unreguliert.

Weil es nur in wenigen Staaten erlaubt ist, dass Frauen ihren Bauch für Geld vermieten, boomt das Business. Die Arztkosten in Indien sind niedrig, die Wartezeiten kurz, und die medizinische Versorgung gilt als gut. Außerdem gibt es jede Menge junge, gebärfreudige Frauen, die das Geld bitter nötig haben.

Die indischen Richtlinien waren bisher mehr als locker: Die Rechte der Leihmütter sind kaum geklärt, ihr Mindestalter, Einzelheiten der Verträge oder die Einverständniserklärungen zwischen den potentiellen Eltern und ihr sind willkürlich geregelt. Das machte den Weg zum Wunschkind für zahlungswillige Ausländersehr einfach, und das südasiatische Land wurde zum attraktiven Ziel für kinderlose Paare auf der Suche nach Familienzuwachs.

Knapp 20.000 Euro kostet ein Baby aus Indien

Das Schwangerschafts-Outsourcing ist ein Riesengeschäft, besonders in Zeiten der sinkenden Geburtenraten in den reichen Ländern der Erde: Für umgerechnet knapp 20.000 Euro kann man in den indischen Fruchtbarkeitszentren ein eigenes Baby ordern. Rund 3000 solcher Kliniken gibt es in dem asiatischen Land. Gesundheitsbehörden schätzen, dass der lukrative Markt umgerechnet bis zu 450 Millionen Euro wert ist.

Aber die goldenen Zeiten sind bald vorbei. Die indische Regierung will die kommerzielle Leihmutterschaft verbieten. Die Kritik, dass die Frauen ausgebeutet würden, wurde zu laut.

Die meisten Inderinnen, die ihre Gebärmutter zur Verfügung stellen, stammen aus den ärmsten Schichten der Gesellschaft, erklärt die Frauenrechtlerin Manasi Mishra vom Center for Social Research, die sich seit Jahren gegen die Ausnutzung dieser Frauen einsetzt. Die Leihmütter sind ungebildet und arbeitslos. Für sie ist der Verdienst ein gutes Geschäft und oft genug ein Angebot, das sie nicht ablehnen können.

Der Lohn dafür, ein hellhäutiges Baby für Fremde zur Welt zu bringen, ist für Frauen, die sonst für ein paar Rupien am Tag Müll sammeln oder Steine klopfen, beträchtlich – doch für die potentiellen Eltern ist es ein Bruchteil der Summe, die im Westen für eine Leihmutter bezahlt werden müsste. In den USA zum Beispiel, wo kommerzielle Leihmutterschaft in einigen Staaten ebenfalls legal ist, kostet dieser Dienst mindestens fünfmal so viel wie in Indien.

Sperma wurde vertauscht, Neugeborene falsch verteilt

Doch die wenigsten der Frauen werden über mögliche Komplikationen informiert oder mit der genauen Prozedur einer Leihmutterschaft im Vorfeld vertraut gemacht, warnt Manasi Mishra. Sie wissen nicht, auf was sie sich einlassen.

Dabei sind die Menschenrechtsgruppen, die die Lage der Leihmütter beklagen, nicht der einzige Auslöser für Indiens neue Strenge. Eine Reihe von Skandalen hat das indische Baby-Business in Verruf gebracht: Sperma wurde vertauscht und Neugeborene an die falschen Eltern verteilt.

Der Amerikaner Morgan Newton zum Beispiel hatte mit seinem Partner über das „Surrogacy Centre India“ bei einer Privatklinik in Delhi für 20.000 Dollar ein Baby durch In-Vitro-Befruchtung und Embryo-Transfer auf den Weg gebracht. Doch als die Ärzte den stolzen Eltern sogar Zwillinge übergeben hatten, musste Newton bei einer Routineuntersuchung feststellen, dass die beiden Sprösslinge genetisch nicht seine Kinder waren.

Er hat die Klinik nun wegen Betruges angezeigt. Indiens Ruf steht auf dem Spiel, weil die Regularien zu locker sind, deshalb wird Delhi nun aktiv. Es sei „die Notwendigkeit der Stunde“, tönte die Regierung vollmundig.

Zuerst schickte das zuständige Ministerium nur einen Brief an die Kliniken, in dem es darum bat, Leihmutter-Service für ausländische Paare nicht mehr anzubieten. Im vergangenen November entschied der Oberste Gerichtshof dann ein generelles Verbot der kommerziellen Leihmutterschaft für Ausländer – es sei denn, diese haben indische Wurzeln. Noch ist die sogenannte „Assisted Reproductive Technology (Art) Bill“ nicht inkraft, das Parlament muss noch zustimmen, doch es ist nur noch eine Frage der Zeit.

Verbot der Leihmutterschaft treibt Paare auf den Schwarzmarkt

Eine falsche Entscheidung, warnen nun wiederum Aktivisten, die befürchten, dass das neue Gesetz die Frauen nicht schützt, sondern im Gegenteil das ganze Leihmutter-Geschäft in den Untergrund drängt. „Kommerzielle Leihmutterschaft zu verbieten wird die Paare nur auf den Schwarzmarkt treiben“, meint etwa die Frauenrechtlerin Ranjana Kumari. „Unsere Untersuchungen belegen, dass viele der Leihmütter keine Krankenversicherung besitzen. Man sollte das Geschäft nicht verbieten, sondern besser genauer regulieren und kontrollieren.“

Auch die Klinikbetreiber reagieren empört. Sie bestreiten, dass ihre Schützlinge schlecht behandelt würden. Schließlich sei es im Interesse aller Beteiligten, dass die Frauen gesunde Babys produzieren.

„Es gibt keine Ausbeutung, es geht um einen freiwilligen Vertrag zwischen Menschen, der einen Austausch von Geld beinhaltet“, erklärt die Fruchtbarkeits-Spezialistin Nayana Patel, die die rennomierte Akanksha-Klinik in Anand bei Gujarat leitet. „Was ist daran falsch?“

Das kleine Dorf Anand gilt als Indiens „Babyfabrik“. Doktor Patel, Ärztin und gewiefte Geschäftsfrau, hat in diesem Monat zum tausendsten Mal einem Baby durch Leihmutterschaft auf die Welt geholfen. Sie hält das neue Gesetz für pure Heuchelei. „Es macht doch keinen Sinn, dass die eine Embryo-Implantation Ausbeutung ist, und die andere nicht, bloß weil es indische Eltern sind!“, findet sie.

Durch das neue Gesetz drohen der Branche nun massive Verluste. Und so haben die ersten Kliniken bereits damit begonnen, abzuwandern. Schon jetzt haben sich einige nach Kambodscha abgesetzt, wo die Gesetze noch lockerer sind, und die Behörden nicht genau hinsehen. Die Frauen, die ihre Dienste als Leihmütter anbieten, sind dort noch weniger rechtlich abgesichert als in Indien.

Quelle: http://www.welt.de/politik/ausland/article157260684/Indiens-Geschaeft-mit-den-Leihmuettern-vor-dem-Aus.html