Sensation: Mutter mit 64

Mit 64 Jahren ist in der Schweiz kürzlich eine Frau zum ersten Mal Mutter geworden. Politikerin Christine Egerszegi-Obrist beschleicht bei solchen Nachrichten über Mütter im Rentenalter ein tiefes Unbehagen. Warum schreibt sie in ihrer aktuellen Kolumne.

«Unsere kleine Katherine ist unser grösstes Glück. Es ist ein Wunder, dass so etwas dank moderner Medizin möglich ist.» Das sagt eine ausserordentlich glückliche Mutter und beugt sich liebevoll über das Bettchen, in dem ihr viereinhalb Monate altes Töchterchen schläft. Eigentlich könnte das eine ganz alltägliche Geschichte sein.

Und doch ist es kein alltägliches Bild, das da in allen Zeitungen erscheint, denn die Mutter ist bereits 64 Jahre alt, also seit kurzem AHV-Rentnerin, und ihr nur wenig jüngerer Ehemann liess sich im Hinblick auf den neuen «Job» als Vater gar frühpensionieren. Diese «junge» Mutter ist nun das älteste Mami der Schweiz. Sie sagt, dass ihr Wunsch nach einem Kind erstmals richtig stark mit 50 Jahren aufgekommen sei. Da ging sie zu einem Schweizer Arzt und fragte ihn, was sie tun könnte. Doch dieser konnte ihr dabei nicht helfen, denn unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen würden eine solche Schwangerschaft nicht zulassen: Die Eizellenspende, die ihr in diesem Alter eine künstliche Befruchtung ermöglicht hätte, ist in der Schweiz verboten.

So gehen manche älteren Frauen zu diesem Zweck ins Ausland. Zum Beispiel nach Russland. Eine dieser bekannten Fruchtbarkeitskliniken ist «Altra Vita» in Moskau. Sie gibt auf ihrer Website an, die Schwangerschaftsklinik sei für heterosexuelle Paare, aber auch für lesbische und alleinstehende Frauen. Die Spenderin der Eizelle kann man aus einem Katalog aussuchen: Danach sind sie zwischen 21 und 31 Jahre alt und haben bereits eigene, gesunde Kinder. Aus «Qualitätsgründen» werden sie auf allfällige genetische Störungen geprüft und psychologisch untersucht; die meisten dieser Frauen haben eine Universitätsbildung. Man kann die Eispenderin, die anonym bleibt, nach Angaben von Grösse, Gewicht, Gesichts- und Nasenform, Augenfarbe aus einer Liste auswählen, damit das Kind nachher irgendwie äusserlich in die Familie «passt». Der ganze Eingriff kostet – inklusive Medikamente und «Kompensation an die Spenderin» – rund 4000 Dollar. Für Extrageld kann man noch Flugkarten, Visa, Hotelzimmer, Dienstleistungen eines Dolmetschers und einen eigenen Chauffeur bestellen.

Ich kenne persönlich diesen innigen Wunsch Mutter zu werden und bin dankbar, dass ich es ohne Schwierigkeiten werden durfte. Ich befürworte den Fortschritt der Medizin, der bereits vor Jahrzehnten die künstliche Befruchtung im Reagenzglas möglich gemacht hat. Er hat damit sehr vielen Paaren geholfen, die schon fast die Hoffnung auf eine Schwangerschaft aufgegeben hatten, dass sie ihren Wunsch nach einem Kind doch noch erfüllen konnten.

Und trotzdem beschleicht mich beim Lesen der Nachricht über diese speziellen neuen Mütter im Rentenalter ein tiefes Unbehagen: Mit der Geburt eines Kindes übernehmen die Eltern eine grosse Verantwortung. Und zwar nicht nur für die Zeit als Babys und Kleinkinder, sondern bis diese selbständig für sich sorgen können. Haben sich diese Mütter und Väter überlegt, ob ihre Lebenskraft reichen wird, bis diese Kinder erwachsen sind? Dann sind sie nämlich als Eltern über achtzig Jahre alt. Werden sie damit umgehen können, dass alle Mitschülerinnen denken, dass sie nicht die Eltern, sondern die Grosseltern seien?

Die Mutter der kleinen Katherine hat in einem Zeitungsinterview gesagt, dass das Kinderkriegen in ihren jüngeren Jahren nicht in ihre Lebensumstände passte. Aber vielleicht passen später die Lebensumstände im Rentenalter nicht mehr ganz zum Kinder kriegen.

http://www.familienleben.ch/47-familiensache/1309-sensation-mutter-mit-64