FDP-Expertin will Leihmutterschaft ermöglichen
Die FDP will Embryonenspende und Leihmutterschaft in Deutschland legalisieren. Zudem sollen bis zu vier Personen Verantwortung für ein Kind übernehmen dürfen.
RAINER WORATSCHKA
Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling Plahr drängt darauf, die gesetzlichen Regeln für Kinderwunschbehandlungen massiv zu liberalisieren. „Das Embryonenschutzgesetz ist von gestern und muss reformiert werden“, sagte die Fraktionsexpertin dem Tagesspiegel. Die deutsche Politik sei hier, im Vergleich zu anderen Ländern, „viel zu zögerlich“. Zudem brauche das Abstammungs- und Adoptionsrecht nach den Beschlüssen zur Ehe für alle „dringend ein Update“, so die Fachpolitikerin. „Wir fordern eine Reform, die endlich die gesellschaftliche Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt.“
„Jeder, der Verantwortung für ein Kind übernehmen möchte, hat Unterstützung verdient“
Konkret geht es der FDP-Abgeordneten bei ihrem Vorstoß um drei grundlegende Änderungen. Sie verlangt eine vollumfängliche Unterstützung von Kinderwunschbehandlungen, egal in welchem Familienmodell sich die Antragssteller befinden. Sie will die bestehenden reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten – also Eizellspende, Embryonenspende und auch nichtkommerzielle Leihmutterschaft – legalisiert haben. Und sie fordert ein Familienrecht, das nichttraditionelle Familienkonstellationen genauso berücksichtigt und auch eine Mehrelternschaft von bis zu vier Personen akzeptiert.
„Jeder, der Verantwortung für ein Kind übernehmen möchte, hat die Unterstützung seines Kinderwunsches verdient“ – unabhängig davon, ob er ein klassisches Familienbild lebt oder nicht“ , heißt es in einem siebenseitigen Positionspapier, mit dem Helling-Plahr die aus ihrer Sicht überfällige Reform voranbringen möchte. 25 Prozent der kinderlosen Frauen und Männer im Alter zwischen 20 und 50 hierzulande seien dies ungewollt, betont die FDP-Politikerin, die vor ihrem Einzug in den Bundestag 2017 als Anwältin für Medizinrecht gearbeitet hat. Die Kosten von Kinderwunschbehandlungen beliefen sich nicht selten auf niedrige fünfstellige Summen. Um solche Behandlungen möglichst vielen zu ermöglichen, gebe es zwar eine staatliche Förderung. Allerdings sei diese an falsche und zu restriktive Bedingungen geknüpft.
Zuschuss für Kinderwunsch-Behandlung darf nicht vom Wohnort abhängig sein
Die gesetzlich festgelegten Altersgrenzen für eine Förderung etwa seien „willkürlich und bevormundend“, meint Helling-Plahr. Die Limitierung auf eine Anzahl von Behandlungsmethoden müsse durch individuelle Einschätzung der Erfolgsaussichten ersetzt werden. Und es könne auch nicht angehen, dass die „Frage, ob sich jemand eine solche Behandlung leisten kann, vom Wohnort und damit vom Zufall abhängt“. Bisher nämlich entscheidet allein das jeweilige Bundesland, in dem die Antragssteller leben, ob es auch Zuschüsse für nicht verheiratete Paare gibt. Die gesetzliche Krankenversicherung kommt nur für die Hälfte der Behandlungskosten auf, wenn die Antragssteller einen Trauschein haben.
Die Verwirklichung von Kinderwünschen scheitere hierzulande aber oft nicht nur am Geld, sondern auch an „veralteten und nicht nachvollziehbaren Verbotsnormen“, ärgert sich die FDP-Politikerin. Das geltende Embryonenschutzgesetz stamme aus dem Jahr 1990. Seither hätten sich gesellschaftliche Wertvorstellungen ebenso gewandelt wie die medizinischen Möglichkeiten – und zwar massiv. Weil die Gesetzgebung im Ausland vielfach „moderner“ sei, nähmen viele Deutsche inzwischen anderswo Angebote von Eizellspende oder Leihmutterschaft in Anspruch, die hierzulande verboten seien.
In den meisten europäischen Ländern sind Eizellspenden erlaubt
Eizell- und Embryonenspenden sollten künftig auch in Deutschland legal sein, fordert Helling-Plahr. Rechtlich sollten sich diese Möglichkeiten an der bestehenden Regelung für Samenspenden orientieren. Heißt: Es müssten auch für diese Spenden Zentralregister geschaffen werden, in denen betroffene Kinder erfahren können, wer ihre leiblichen Eltern sind.
Tatsächlich ist Deutschland neben der Schweiz, Norwegen und Luxemburg mittlerweile das einzige Land Europas, das die Eizellspende verbietet. Und auch für eine Leihmutterschaft sollte keiner mehr „ins Ausland, wo teilweise auch Frauen in Notlage ausgebeutet werden, ausweichen müssen“, meint die FDP-Politikerin: „Wenn beispielsweise eine Frau ein Kind für ihre Schwester oder ihre beste Freundin austragen möchte, weil diese sich zwar ein Kind wünscht, aber selbst keines bekommen kann, wollen wir das ermöglichen.“ Eine solche Leihmutterschaft dürfe aber „selbstverständlich nur dann legal sein, wenn diese aus rein altruistischen Motiven und somit (…) nicht gegen Zahlung eines Entgelts stattfindet“.
Kinder sollen bis zu vier Elternteile haben dürfen
Daneben gebe es großen Reformbedarf im Familienrecht, drängt die Abgeordnete. Durch die überfällige Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare sei „eine auch verfassungsrechtlich untragbare Situation entstanden“: Kinder würden „unterschiedlich gestellt, je nachdem, ob sie in eine gleichgeschlechtliche oder verschiedengeschlechtliche Ehe hineingeboren werden“. Im Ergebnis, so Henning-Plahr, sollten „maximal vier Elternteile gemeinsam elternschaftliche Verantwortung für ein Kind übernehmen dürfen“. Es könne nicht angehen, „die verschiedenen Elternteile auf dem Rücken der Kinder gegeneinander auszuspielen“.
Deutschland müsse „Vorreiter für progressive Entwicklungen“ werden, fordert die FDP-Politikerin. In Frankreich sei kürzlich etwa die Kinderwunschbehandlung für Alleinstehende und lesbische Paare ermöglicht worden. Und in Spanien hätten Frauen ab 18 schon länger das Recht, durch Samenspenden schwanger zu werden – egal, ob sie alleinstehend, homo- oder heterosexuell seien. „Wir müssen hierzulande gewährleisten, dass der Zugang zu solchen Methoden nicht vom Geldbeutel abhängt.“
Auch Wissenschaftler drängen auf Liberalisierung
Auch in der Wissenschaft werde Reformbedarf gesehen, betont Helling-Plahr. Vor wenigen Monaten erst habe sich die Nationale Akademie der Wissenschaften an der Leopoldina für eine umfassende Reform der Gesetzgebung zur Reproduktionsmedizin ausgesprochen. Und bereits vor sechs Jahren hätten renommierte Juristen einen Vorschlag für ein modernes Fortpflanzungsmedizingesetz vorgelegt. Dabei handelt es sich um Empfehlungen von sechs Medizin- und Gesundheitsrechtlern der Universitäten Augsburg und München.
Sie fordern ebenfalls eine Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaft, weil es keinen Anhaltspunkt gebe, dass das Kindeswohl bei „gespaltener Mutterschaft“ Schaden nehme. Auch der Embryonentransfer solle zugelassen werden, weil überzählig produzierte Embryonen der Reproduktionsmedizin auf diese Weise nicht verworfen werden müssten.
„Spenderkinder“ warnen vor Erlaubnis für Leihmutterschaft
Bei dem Verein „Spenderkinder“ stößt der FDP-Vorstoß und insbesondere die Forderung nach Legalisierung der Leihmutterschaft auf harsche Kritik. „Es gibt kein Recht auf ein Kind oder einen Rechtsanspruch, Eltern zu werden“, sagte Sprecherin Anne Meier-Credner der Nachrichtenagentur KNA. Unter Psychologen bestehe Konsens darüber, dass „eine willkürliche Trennung eines Säuglings von seiner engsten Vertrauten, die er an Geruch und Stimme von anderen unterscheiden kann, extrem belastend ist“. Daher stelle sich die Frage, ob es zu rechtfertigen sei, „einen Säugling gezielt diesen Belastungen auszusetzen, damit sich Erwachsene einen Wunsch erfüllen können“.
Kinder, die von einer Frau ausgetragen und dann von einem anderen Paar adoptiert werden, dürften nicht als „handelbares Objekt“ angesehen werden, warnt die Sprecherin. Auch die Leopoldina-Expertise formuliere nur einseitig die Interessen von Wunscheltern und Fortpflanzungsmedizinern. Der Verein vertritt die Interessen von mehr als 100 durch Samenspende gezeugten Erwachsenen. Angeblich gibt es davon in Deutschland mehr als 100.000. Die meisten wüssten aber nichts von ihrer Zeugungsweise.