Anika König untersucht Leihmutterschaft: «Es gibt Leihmütter aus religiösen Gründen»
Anika König ist überzeugt: Für viele Frauen ist Leihmutterschaft eine Art Nächstenliebe.
Warum stellt sich eine Frau als Leihmutter zur Verfügung? Und soll dies auch in der Schweiz möglich sein? Anika König von der Universität Luzern forscht dazu.
Frau König, Sie forschen zur Leihmutterschaft. Ihre Haupterkenntnis?
Anika König:
Dass alles ganz anders ist, als wir uns das vorstellen. Ich habe mit Wunscheltern in der Schweiz gesprochen, und viele von ihnen sind sehr fürsorglich mit der Leihmutter umgegangen, haben ihren Kindern ehrlich erzählt, woher sie kommen.
Welche Rolle spielt Geld?
Geld spielt eine Rolle. Aber zumindest bei den amerikanischen Leihmüttern, mit denen ich geredet habe, ist es nicht immer die Hauptmotivation. Mich überraschte, dass es Frauen gibt, die aus religiösen Gründen Leihmütter werden.
Warum das?
Familie ist für diese Menschen das höchste Gut. Darum ist es für sie eines der schlimmsten Dinge, wenn Paare keine Kinder bekommen können. Leihmutterschaft ist für diese Frauen eine Form der Nächstenliebe.
Die meisten Leihmütter gehören zur Unterschicht. Wird da nicht die wirtschaftliche Not von Frauen ausgenützt?
Viele Leihmutter-Agenturen in den USA nehmen keine Frauen, die auf das Geld angewiesen sind.
Reden Sie das Ganze nicht zu schön? Es gab Fälle von Eltern, die ihr Kind nicht abholten, weil es behindert war.
Natürlich gibt es problematische Fälle. Schaut man das aber prozentual an, ist dieser Anteil klein.
In den USA kann bei Leihmutterschaft das Geschlecht des Kindes gewählt werden.
In der Schweiz ist dieses Thema sehr umstritten. Studien zeigen, dass es auch in der Schweiz selektive Abtreibungen gibt – wegen des Geschlechts oder einer Behinderung. Die Frage ist: Was ist schlimmer – sich mit-tels Präimplantationsdiagnostik für ein Kind mit bestimmtem Geschlecht zu entscheiden oder einen Fötus abzutreiben, weil er nicht das gewünschte Geschlecht hat?
Beides ist unethisch und deshalb in der Schweiz verboten.
Ich möchte das nicht schönreden, bloss aufzeigen: Manche Dinge, die auf den ersten Blick bei Leihmutterschaft im Ausland als sehr negativ wahrgenommen werden, können hierzulande ähnlich problematisch gehandhabt werden.
Ist Leihmutterschaft nicht vor allem eines: ein Geschäft?
Unbestritten verdienen Ärzte, Pharmafirmen, Agenturen und Anwälte wahnsinnig viel Geld. Es gibt darum Bestrebungen, so etwas wie eine Non-Profit-Leihmutterschaft anzubieten. Einzig die Leihmütter würden Geld bekommen.
Gibt es solche Modelle bereits?
In verschiedenen Ländern gibt es Non-Profit-Organisationen, die Leihmutterschaften organisieren. In Israel kann, wer bestimmte Bedingungen erfüllt, die staatliche Finanzierung einer Leihmutterschaft beantragen.
Wäre altruistische Leihmutterschaft die Lösung?
Damit würde Leihmutterschaft sich nur wieder perfekt eingliedern in all die anderen Formen von Fürsorge-Arbeit, die Frauen unentgeltlich tun. Die Frau setzt ihren Körper ein. Das sollte angemessen bezahlt werden.
Sind Sie für die Legalisierung der Leihmutterschaft in der Schweiz?
Unter gewissen Bedingungen, ja. Mit vernünftigen Gesetzen könnten problematische Konstellationen verhindert werden, in denen Frauen ausgenützt werden und die falschen Menschen unfassbar viel Geld verdienen. Es müsste aber so sein, dass sich das nicht nur reiche Menschen leisten könnten.
Haben Sie auch eine Leihmutterschaft in Auftrag gegeben oder sind Sie gerade dabei? Anika König sucht noch Menschen, die an ihrer Studie zur Leihmutterschaft teilnehmen möchten. Alle Informationen werden streng anonym behandelt. Bei Interesse können Sie
sich unter anika.koenig@unilu. ch melden.
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