Born in India – Baby als illegaler Einwanderer
Unser Indien-Korrespondent Jürgen Webermann ist in Neu Delhi Vater geworden. Die indische Bürokratie jedoch meinte es nicht gut mit den glücklichen Eltern. Dem Sohn wurde der Einreisestempel verweigert. Born in India – was bedeutet das?
Eine Glosse von Jürgen Webermann, ARD-Hörfunkstudio Neu Delhi
Unser Sohn kam Ende Februar zum ersten Mal nach Indien. Die ersten Menschen, die ihn inspizierten, waren aber nicht Grenzbeamte, sondern eine Hebamme und eine Ärztin. Einen Einreisestempel gab es also nicht, als der Kleine aus dem Geburtskanal schlüpfte. Und genau deshalb musste er jetzt, nicht mal drei Monate alt, auch seine erste Strafe zahlen. 1.800 Rupien, umgerechnet 30 Euro „overstay penalty“, was salopp übersetzt auch heißen könnte: Illegale Einwanderung. Ein Krankenhaus ist schließlich kein Einreisepunkt.
Das einzige Schlupfloch, dass die indischen Behörden offen lassen – Registrierung bei der Ausländerbehörde in den ersten zehn Tagen nach Geburt – ist einfach zu klein. Denn für eine Registrierung benötigt man einen deutschen Pass. Für den wiederum benötigt man eine indische Geburtsurkunde. Die gibt’s aber erst nach zwei Wochen.
Deutsche Paare unter Generalverdacht
Und selbst wenn man sie hat: Für die deutsche Botschaft in Indien steht jedes deutsche Paar, das hier Kinder bekommt, unter dem Generalverdacht, eine indische Leihmutter bezahlt zu haben, die das künstlich befruchtete Kind austrägt. So etwas ist nach deutschem Recht verboten.
Normalerweise, sagt mein Rechtsverstand, müssten deutsche Behörden schon einen begründeten Verdacht haben, um einer möglichen Leihmutterschaft nachzugehen. Das wäre in unserem Fall absurd, denn es gibt genug Freunde und Kronzeugen in der deutschen Botschaft, die den Bauch haben wachsen sehen und mit uns gefiebert haben. Nichts da: Wir haben sechs Wochen warten müssen, was noch kurz ist, und schlappe 312 Euro bezahlt, damit jemand auch unseren Fall gründlich prüft. Wer immer das war, er hat einen sehr unauffälligen Job gemacht. Für die deutschen Behörden ist der Kleine jetzt also ein legaler Staatsbürger.
Strafe für illegalen Aufenthalt muss sein
Nur in Indien hielt er sich immer noch illegal auf. Und obwohl schon die indische Behörde, die die Geburtsurkunde ausgestellt hat und die deutsche Botschaft unseren Fall überprüft hatten, gab es noch eine dritte Prüfung, diesmal durch die indische Ausländerbehörde. „Doublecheck“ nennen das die Inder. Das Wort „Doublecheck“ klingt englisch, gibt es aber nur hier in Asien, und es heißt: Wir prüfen doppelt, weil wir unseren eigenen Kollegen nicht vertrauen. Der Check ergab jedenfalls, dass unser Sohn ein Visum erhalten darf. Aber Strafe für zweieinhalb Monate illegalen Aufenthalt in Indien muss sein. Immerhin: Es gab eine kleine Gegenleistung. Denn die freundlichen Beamten haben handschriftlich eine lässige Bemerkung über den Visastempel des Kleinen geschrieben: Dort steht: „Born in India“.
Quelle: https://www.ndr.de/info/sendungen/auf_ein_wort/Born-in-India-Baby-als-illegaler-Einwanderer,indien420.html