Erfahrung der deutschen Corona-Eltern eines Leihmutter-Kindes. Teil 1
Ein Interview mit einem Biotexcom-Paar aufgenommen in Räumlichkeiten von Hotel „Venice“
Teil 1
Moderatorin: Wie waren Ihre ersten Gefühle, als Sie erfahren haben, dass Ihr Baby geboren wurde und Sie so weit entfernt sind und noch ungewiss ist, wann Sie zu Ihrem Baby überhaupt kommen dürfen?
Wunschmutter: Also, im ersten Moment oder die ersten zwei Stunden haben wir uns sehr gefreut, waren überglücklich und haben alle angerufen, Bescheid gegeben und das Foto oder die zwei Fotos, die wir bekommen haben, die ganze Zeit betrachtet und waren überglücklich und dann irgendwann realisiert worden ist….
Moderatorin:….dass es nicht so leicht ist..
Wunschmutter: Das Kind ist da , aber wie kommen wir jetzt dahin? Und dann war es so, dass es doch für uns sehr emotional war und schon so eine Verzweiflung da war, daß wir sehr verzweifelt waren. Aber gut, wir haben halt geguckt ,wir haben gekämpft, also, es ist ganz wichtig für uns gewesen zu kämpfen , wir haben alles versucht, was möglich war.
Moderatorin: Was meinen Sie mit “alles”?
Wunschmutter: Alles, was wir erreichen, also wir hatten Tausende von Telefonaten mit Charterflugmaschinen, Gesellschaften( wir wollten einen privaten Jet mieten) , mit Botschaften in Polen, mit Botschaften in Österreich, Ungarn, Tschechien haben wir rumtelefoniert.
Moderatorin: Und wieso mit diesen allen Botschaften?
Wunschmutter: Weil es ja keine Flüge gab .
Moderatorin:Aha, deswegen.
Wunschmutter: Wir wollten mit dem Auto fahren und wir brauchten ja Durchfahrtsgenehmigung . Und hatten diese teilweise schon , also von Österreich und Ungarn hatte uns auch angedeutet, dass es klappt und wir sollten diese nachreichen. Und es war, ich weiß nicht wie viel Tausende von Telefonaten wir,die geführt haben , dann mussten wir zum Notar und so weiter. Es war schwierig für uns Notartermine zu bekommen.
Moderatorin: Wieso, Entfernung?
Wunschmutter: Nee, da, wo wir wohnen, die Notare, man verdient nicht viel Geld damit.
Moderatorin: Echt?
Wunschmutter: Mit dieser Beurkundung. Wir haben bei uns in der Nähe keinen Termin bekommen , wir sind über 600 Kilometer zu einem Notar gefahren , Hin und Zurück zusammen. Bei uns in der Nähe hätten wir im Juli den nächsten Termin , über 3 Monate später.
Moderatorin: Glauben Sie, werden Sie später daran denken, dass Corona irgendwie die erste Phase des Kennenlernens mit dem Kind beeinträchtigt hat oder wird diese Coronageschichte in Vergessenheit geraten?Irgendwie tut es weh noch oder nicht mehr so? Oder denken Sie, es hätte anders gewesen sein können. Gibt es irgendwelche Gedanken jetzt?
Wunschmutter: Es ist ganz kurios, also es nicht nur bei uns so, wir haben uns auch mit Paaren, die letzte Woche schon zurückgeflogen sind und ihre Kinder eine Woche vor uns bekommen haben, gesprochen, und die sehen es ähnlich, sobald man die Kinder hat ,ist dieser ganze Stress, den man hatte, wo man für alles gekämpft hat, wo man sich geärgert hat über Behörden und über andere Sachen, er ist nicht ganz vergessen, aber irgendwie im Hintergrund getreten. Weil jetzt zählt nur noch, dass das man kleine Wesen auf Arm hat und versorgen möchte, für das man da sein möchte.
Moderatorin: Also, das ist nicht so quälend jetzt? Dass man immer wieder daran denkt?
Wunschmutter: Nee, ich glaub schon, dass es uns mehr bewusst gemacht hat , wie wertvoll sie ist und wie viel sie uns bedeutet und ich hab auch das Gefühl umso inniger ist gerade jetzt das Kennenlernen, wir wollen sie überhaupt nicht abgeben, sondern ihr ganz viel Liebe, ganz viel Berührung geben, dass sie weiss, wir sind ihre Eltern…
Moderatorin: Für diese Zeit, die Sie versäumt haben.
Wunschmutter: Genau. Es waren 6 Wochen.
Moderatorin: 6 Wochen ohne Kind? Ohne das Kind zu sehen?
Wunschmutter: Genau.
Moderatorin: Also sie konnten dann erst nach 6 Wochen nach ihrer Geburt einreisen?
Wunschmutter: Genau.
Moderatorin: Krass.
Wunschmutter: ich hab aber schon das Gefühl, dass wir eine gute Bindung zu ihr aufgebaut haben . Sie ist ganz verliebt in ihren Papa. Ich glaub, im Nachhinein denkt man, wenn sie älter ist, ist es etwas Besonderes, die Geschichte, die sie zu erzählen hat.
Moderatorin: Werden Sie ihr die Geschichte erzählen? Über die Corona?
Wunschmutter: Ich habe ein Tagebuch angefangen zu schreiben, in der Quarantäne, wo ich alles mit der Vorgeschichte geschrieben habe und auch warum wir ne Leihmutterschaft gemacht haben . Aber das Tagebuch bekommt sie erst, wenn sie älter ist , um das zu verstehen.
Moderatorin: Damit Sie begreifen kann?
Wunschmutter: Aber wir werden , wenn sie uns irgendwann fragt, ob sie aus meinem Bauch kommt, werde ich sagen, nee , mein Bauch ist kaputt, aber wir haben nen Bauch geliehen bekommen. Also, wir wollen es ihr nicht verheimlichen, das ist ganz wichtig für ihre Entwicklung.
Moderatorin: man sagt, dass man später Identitätsprobleme hat. Ich hab auf Youtube ein Video gefunden , wo eine Frau über ihre Geschichte erzählt, sie ist entstanden durch Eizellspende und Leihmutterschaft und dass Ihre Eltern ihr das nicht erzählt haben und dann als sie 18 war , dann hat sie es erfahren und sie sagte, das war wie ein Schlag für sie, wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Und sie kann bis jetzt das nicht verkräftigen. Nicht diese Tatsache, Leihmutterschaft , sondern dass sie ihr das verheimlicht haben .
Wunschmutter: Das ist wie ein Vertrauensbruch .