Kinderwunsch wird nicht Wirklichkeit
Viele geplatzte Kinderwünsche bei Akademikerinnen in Österreich, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz. – (c) REUTERS (Eduardo Munoz)
Frauen in Europa und den USA haben weniger Kinder als ursprünglich gewollt. In Österreich bleiben dabei vor allem Akademikerinnen hinter den Vorstellungen früherer Jahre zurück, zeigt eine neue Studie.
Frauen haben weniger Kinder, als sie sich eigentlich wünschen. In Österreich bleiben insbesondere Akademikerinnen hinter ihren Vorstellungen zurück. Das zeigt eine neue Vergleichsstudie der Demografinnen Eva Beaujouan, die seit Kurzem an der Wirtschaftsuni Wien forscht, und Caroline Berghammer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ihre Ergebnisse publizierten sie im Fachmagazin Population Research and Policy Review (25.2.).
Der sogenannte Fertility Gap bezeichnet die Lücke zwischen Kinderwunsch und tatsächlicher Kinderzahl. Die Vermutung, dass der Kinderwunsch von Frauen höher liegt als ihre Kinderzahl, wird oft als Argument für familienpolitische Maßnahmen angeführt. Beaujouan und Berghammer wollten es genauer wissen: Für ihre Studie haben sie den in früheren Umfragen angegebenen Kinderwunsch und die schließlich erreichte Kinderzahl von 12.574 Frauen in 19 Ländern Europas sowie in den USA miteinander verglichen.
Beaujouan/Berghammer/Population Research and Policy Review
Die größten Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit wurden in Südeuropa festgestellt. In Italien, Griechenland und Spanien lagen die Fertility Gaps bei mehr als 0,6 Kindern pro Frau. Als Gründe sehen die Studienautorinnen einerseits die relativ hohen Kindererwartungen aufgrund der dort vorherrschenden traditionell großen Familien sowie instabile Arbeitsmärkte und wenig Unterstützung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die geringsten Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit fanden die Demographinnen in Frankreich und den USA – wobei in den USA ein hoher Anteil an „Übererfüllerinnen“ (de facto Teenager-Mütter) dafür verantwortlich sein könnten.
In Österreich gaben die in den 1990er-Jahren befragten, damals zwischen 20 und 24 Jahre alten Frauen im Schnitt an, zwei Kinder zu wollen. Wie die Geburtenrate für diese Jahrgänge heute zeigt, bekamen sie aber durchschnittlich nur 1,7 Kinder. Am größten ist der Unterschied hierzulande, aber auch in Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz bei den Akademikerinnen: Fünf Prozent gaben an, keine Kinder zu wollen, tatsächlich blieben aber 26 bis 30 Prozent kinderlos. Die Demographinnen wollen daher familienpolitisch bei den Akademikerinnen ansetzen. Dazu seien besonders Maßnahmen für eine Kombination von Karriere und Kindern wichtig, so Berghammer in einer Aussendung: „Dazu zählen ein gut ausgebautes Kinderbetreuungssystem, einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, wie es in Österreich bereits existiert, sowie eine höhere Flexibilität von Arbeitszeiten und Arbeitsort.“ Außerdem müssten auch Männer berücksichtigt werden – etwa durch arbeitsmarktpolitische Förderung der Väterbeteiligung in der Familie. (APA/cog)
Publikation: The Gap Between Lifetime Fertility Intentions and Completed Fertility in Europe and the United States: A Cohort Approach (Population Research and Policy Review, 2019)
Quelle:
https://diepresse.com/home/science/5603863/Kinderwunsch-wird-nicht-Wirklichkeit