„Leihmutterschaft“ – Der Kinderhandel in Kambodscha
(Phnom Penh) Ein Gesetz soll Frauen schützen, die in Kambodscha aus Armut ihren Körper für den modernen Menschenhandel mißbrauchen. Was aber ist mit den Kindern und ihrem Schutz?
Ein Gesetz soll „Leihmütter“ vor der „Leihmutterschaft“ schützen. Die Sache hakt, und das nicht nur wegen der euphemistischen Begriffe. Es fällt schwer zwischen Mißbrauchten und Mißbrauchern zu unterscheiden, wenn der menschliche Körper selbst zum Produkt auf dem Markt wird.
Drei Kambodschanerinnen sind angeklagt, gegen die Bestimmungen zu „Leihmutterschaft“ und Menschenhandel verstoßen zu haben. Sie haben auf Bestellung Kinder gezeugt und sie nach der Geburt ihren Auftraggebern ausgehändigt. Die zahlenden Kunden waren wohlhabende Paare aus der Volksrepublik China. Die Kinder wurden ihnen in Vietnam übergeben. Dafür kassierte jede Frau vereinbarte 8.000 Dollar. Nun riskieren sie 15–20 Jahre Gefängnis, weil sie die Kinder illegal außer Landes brachten.
Die drei Frauen sind nur der jüngste Fall in einer langen Reihe von Kambodschanerinnen, die für reiche Kunden aus dem Ausland ihre Mutterschaft verkaufen. Die Zunahme der Fälle veranlaßte die kambodschanische Regierung, 2016 ein Gesetz gegen die „Leihmutterschaft“ zu erlassen.
Im Juni 2018 verhaftete die Polizei in einer Klinik in Phnom Penh 33 Wöchnerinnen. Ihnen waren jeweils 9.000 Dollar bei Ablieferung des Kindes zugesagt worden.
Der britische Guardian zitiert die junge Malis, die mit dem Geld für ein bestelltes Kind „Schulden begleichen“ und sich den Grundstock zu einem „besseren Leben“ verschaffen wollte. Auch andere Frauen in ihrem Heimatort hätten das getan. So wollte sie es auch tun. Sie habe „nicht gewußt“, daß das illegal ist. Als sie den ersten Schrei ihres Kindes hörte, habe sie beschlossen, „ihr Kind“ nicht herzugeben. „Egal wieviel Geld man mir bietet“. Das Geld für das Kind hatte ein chinesisches Paar allerdings bereits bezahlt.
Seit 2016 ist die Leihmutterschaft in Kambodscha verboten. Es drohen allerdings nur Haftstrafen von einem bis sechs Monate. Hohe Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren ergeben sich hingegen, wenn ein Kind, ob geboren oder noch im Mutterleib, für den Verkauf außer Landes gebracht wird.
Einen langjährigen Gefängnisaufenthalt riskierten elf Frauen, die im November 2018 verhaftet wurden. Die gestanden gegenüber der Thomson Reuters Foundation, dem wohltätigen Zweig der gleichnamigen Presseagentur, 10.000 Dollar für die Schwangerschaft erhalten zu haben. Das entspricht dem Sechsfachen eines durchschnittlichen Jahreseinkommens.
Die Frauen wurden im Mai aus der Haft entlassen unter der Bedingung, daß sie ihr Kinder behalten und bis zum 18. Lebensjahr versorgen. Damit wurde aber nicht die Strafverfolgung wegen Menschenhandels aufgehoben. Die Frauen unterstehen deshalb einigen, allerdings harmlosen Bewährungsauflagen.
Die Verhaftung der eingangs erwähnten drei Frauen erhöhte den Druck auf die Regierung, die Rechtslage zu überarbeiten. Das Gesetz von 2016, das „sehr schnell“ erlassen wurde, so Chou Bun Eng vom Nationalen Komitee gegen den Menschenhandel, zielte auf die Zwischenhändler, die den Kontakt zwischen den zahlenden Kunden und den Frauen herstellten. In der Wirklichkeit sind es lediglich die Mütter. die in diesem Menschenhandel gerichtlich belangt werden. Vermittler und Kunden gehen bisher straffrei aus.
2016 war schnell ein Gesetz notwendig geworden, weil immer mehr Kunden ins Land strömten. Die benachbarten Staaten Indien, Nepal und Thailand hatten den Kampf gegen den Kinderhandel aufgenommen und entsprechende Verbotsgesetze erlassen. Der Kindermarkt verlagerte sich schlagartig in die Nachbarstaaten, darunter vor allem Kambodscha. Allein im ersten Jahr dieses Booms, 2014/2015, öffneten in der Hauptstadt Phnom Penh an die 20 Zentren, die „Leihmutterschaft“ als Dienstleistung anboten. Es gab thailändische, chinesische, US-amerikanische und andere Betreiber. Gemeinsam war ihnen, die Armut junger Kambodschanerinnen auszunützen.
Wenn in den USA das gesamte Paket für ein Kind (Agentur, Klinik, Rechtsanwalt, Honorar für die Leihmutter usw.) bis zu 150.000 Dollar kostet, ist dasselbe in Kambodscha um einen Bruchteil zu haben. Das gilt freilich nur, solange die Schwangere nicht erwischt wird, denn dann beginnen die Probleme mit der Justiz.
Doch die Frauen stehen nicht allein. Parallel zur Einführung des Verbotsgesetzes von 2016 traten internationale Menschenrechts- und Frauenrechtsorganisationen auf, die in den Frauen ausschließlich ein Opfer sehen wollen. Die Sache ist allerdings komplizierter. Die Armut veranlaßt die Frauen nicht, Lebensmittel zu stehen, um nicht zu verhungern. Sie spielen mit dem Leben von Kindern, ihrer Kinder, und bereichern sich auf deren Kosten.
Die NGO’s drängen die Regierung, die geltenden Bestimmungen zu revidieren. Die Frauen sollten von Verfolgung, Verurteilung und Strafe befreit werden. Im Klartext bedeutet das, daß Frauenrechts- und Menschenrechtsorganisationen die Anerkennung dieser Form der Ausbeutung wollen. Armut scheint alles zu entschuldigen.
Derzeit stehen Frauen, die ihr Kind behalten, unter Überwachung durch die Gerichte. Beauftragt ist damit die Polizei. Phalla ist eine „Leihmutter“, die erwischt wurde und sich bereit erklärte, ihr Kind zu behalten, um nicht nicht ins Gefängnis zu müssen. Sie muß sich einmal im Monat mit ihrem Kind bei der örtlichen Polizeistation melden. Ohne vorherige behördliche Erlaubnis darf sie ihren Wohnsitz nicht ändern. Damit soll verhindert werden, daß die Frauen die auf Bestellung gezeugten Kinder doch noch verkaufen.
Für Chak Sopheap vom Kambodschanischen Zentrum für Menschenrechte (CCHR), werden die Frauen dadurch vom Staat noch zusätzlich zu Opfern gemacht, obwohl sie bereits Opfer seien.
Dem widerspricht Chou Bun Eng vom Nationalen Komitee gegen den Menschenhandel:
„Alle in Kambodscha wissen, daß die Leihmutterschaft illegal ist. Wir kümmern uns um diese Frauen schon im Krankenhaus, weil wir den Opfern beistehen und sie schützen wollen. Wenn ich ‚Opfer‘ sage, dann meine ich nicht die Mütter, sondern die Kinder, die sie im Mutterleib tragen oder schon geboren haben.“
Cou Bun Eng ist einer der wenigen, die im Geschäft des „Leihmütter“-Kinderhandels auch von den Kindern und ihren Rechten sprechen. Geht es nach einigen internationalen oder vom Ausland finanzierten thailändischen Frauenrechts- und Menschenrechts-NGO’s, würden nicht nur die Kunden und die Vermittler straflos bleiben, sondern auch die „Leihmütter“. Sie sprechen sogar von „Erpressung“ und „Zwang“, die von den Behörden gegen die Frauen ausübt würden, damit sie die Kinder behalten.
Es könnte der Verdacht aufkommen, daß in Wirklichkeit ein Geschäft nicht gestört werden soll.
Die kambodschanische Regierung sieht sich durch NGO-Kampagnen unter Druck. Den Preis könnten einmal mehr die Kinder bezahlen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi
Quelle:
https://katholisches.info/2019/08/06/leihmutterschaft-der-kinderhandel-in-kambodscha/