Baby auf Wunsch – Wo sind die ethischen Grenzen der Reproduktionsmedizin?

Eizellen einfrieren, Eizellen kaufen oder etwa eine Leihmutter buchen? Man braucht im Internet nur mal „Eizellspenden“ oder „Leihmutterschaft“ einzugeben, schon findet man zahlreiche Angebote, die einen unkomplizierten Weg zum Wunschkind versprechen: Im Ausland werden Kinderwünsche wahr. Leihmütter im All-Inclusive-Paket. Hotel inbegriffen. Unfruchtbarkeit war gestern. Auch dank Eizellen von glücklichen Frauen, die sich im Netz anpreisen. Wenn‘s selbst künstlich nicht klappt, gibt’s das Geld zurück. Weil in Deutschland Eizellspende und Leihmütter verboten sind, fahren mindestens 2.000 deutsche Paare jährlich ins Ausland: Fortpflanzungstourismus.

Aber gibt es überhaupt ein Recht auf ein Kind oder geht es vielen Paaren nicht vielmehr darum, mit dem Baby ein Konsumbedürfnis zu erfüllen? Fragt die Autorin Eva Maria Bachinger in ihrem Buch „Kind auf Bestellung“. „Wir müssen uns doch überlegen, darf alles in unserer kapitalistischen Welt zu kaufen sein? Dass es für alles auch einen Preis gibt. Und da sage ich: Ich finde, gewisse Dinge sollten nicht zu kaufen sein. Und da gehört für mich dazu: die Eizellen und die Gebärmutter von einer Frau.“ Eva Maria Bachingers Kritik hat keinen religiösen Hintergrund. Sie warnt als Feministin davor, Kinder wie Waren zu bestellen.

Die Medizinethikerin Claudia Wiesemann hingegen sieht in der Reproduktionsmedizin eine neue Fortpflanzungsfreiheit, eine Stärkung der Selbstbestimmung. „Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte sagt, jeder Mensch hat das Recht darauf, eine Familie zu gründen und sich fortzupflanzen.“

Kinderlosigkeit als Makel

Kinderlosigkeit gilt oft als Makel, Unfruchtbarkeit als Tabu. Doch Kinder seien kein Besitzstand, den man einfordern könne, so Eva Maria Bachinger. „Für mich ist die Reproduktionsmedizin ein Symptom eines Machbarkeitsdenkens und eines Optimierungswahns. Man muss irgendwie alles haben, damit man etwas ist.“ Claudia Wiesemann sieht dies anders. „Ich kann nicht verstehen, wie man den Wunsch, eine Familie zu gründen und ein Kind zu haben, zunächst als Konsumdenken bezeichnen kann. In welcher Welt leben diese Kritiker? Es geht um das normalste der Welt. Es geht vielleicht um das natürlichste der Welt.“

„Späte Mütter“ müssen sich rechtfertigen

Wenn man aber so ganz natürlich nicht schwanger wird, beginnt für viele Betroffene eine Tortur zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Biologisches Schicksal wird dabei immer weniger akzeptiert. Zwar nimmt ab dem 30. Lebensjahr die Fruchtbarkeit einer Frau stetig ab. Doch es gibt immer mehr „späte Mütter“, und die müssen sich oft rechtfertigen.

„Wir tolerieren das seit Jahrhunderten für die Väter“, sagt Claudia Wiesemann. „Väter können über 60, über 70, über 80 sein. Da wird selten ein kritisches Wort darüber verloren. Wenn Frauen nun in dieses Alter kommen, schwanger werden können in diesem Alter, dann muss man die Frage stellen: Sind hier nicht auch Gleichheitserwägungen wichtig?“

Warum nicht nutzen, was technisch möglich ist?

Die Medizin durchbricht biologische Grenzen und krankheitsbedingte Unfruchtbarkeit. Warum also nicht nutzen, was technisch geht? „Es ist dann eben die Frage: Wo zieht das Paar eine Grenze?“, so Bachinger. „Und wenn dann so was dazukommt wie Eizellenspende oder Leihmutterschaft, dann benötige ich einfach andere Menschen, in dem Fall Frauen, die sich Risiken unterziehen müssen. Die hormonell stimuliert werden müssen, die das ja vor allem wegen des Geldes tun. Und da beginnt für mich schon eine große ethische Frage, ob man das Recht dazu hat.“

Eizellspenden kosten je nach Land etwa zwischen 6.000 und 12.000 Euro. Leihmütter bis zu 100.000 Euro. Eine Win-Win-Situation? Die Frauen bekommen doch Geld, die Paare ihr ersehntes Kind.

Indien als Billig-Mekka für Leihmütter

Die Dokumentation „Can I see the baby bum?“ zeigt die Realität. Indien gilt als das Billig-Mekka für Leihmütter. Die Lebensumstände der Frauen erinnern an die von Legehennen. Während der gesamten Schwangerschaft dürfen sie das Krankenhaus nicht verlassen – damit dem Kind nichts passiert. Geld gibt es nur, wenn die Frau ein gesundes Kind „abliefert“. Aber viele Befruchtungen scheitern. Rechte hat die Leihmutter keine.

„Das ist auch ein Grund, warum ich die Leihmutterschaft ablehne aus feministischer Sicht“, so Bachinger. „Weil die Leihmutter nicht mehr das Selbstbestimmungsrecht hat, über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. Die Paare und die Ärzte haben immer Zugriff.“

„Die Leihmutterschaft selbst ist tatsächlich ein ganz problematisches Feld“, räumt Wiesemann ein. „Und genau da sind auch die Berührungen zu einer Warenwelt. Andere Bereiche der Reproduktionsmedizin sind sehr segensreich.“

Wie segensreich ist die Reproduktionsmedizin? Sicher sehr für die Paare, die sich heute ihr Wunschkind ermöglichen können. Aber dürfen Dritte darunter leiden? Und was ist mit dem Kind? Wenn es zum Beispiel mit dem Wissen aufwächst, dass seine Entstehung „gekauft“ wurde? Was wollen Eltern ihrem Wunschkind eigentlich zumuten?

Quelle: http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/ndr/fortpflanzung100.html