Die schwangere 65-Jährige und das Geschäft mit den Eizellen
Wie Annegret Raunigk reisen viele Frauen für eine künstliche Befruchtung in die Ukraine. Dort gibt es keine gesetzliche Altersgrenze. Kliniken und Privatpraxen werben im Internet um deutsche Kunden.
Wozu Frauen mit einem Kinderwunsch bereit sind, dafür liefert die Berlinerin Annegret Raunigk derzeit ein aufsehenerregendes Beispiel – und ganz Deutschland diskutiert darüber. Denn Raunigk ist 65 Jahre alt und im fünften Monat schwanger. Sie erwartet Vierlinge. Das RTL-Magazin „Extra“ hatte am Montagabend über den brisanten Fall berichtet.
Die Schwangerschaft der früheren Grundschullehrerin ist das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung, bei der sowohl der Samen als auch die Eizelle von Spendern stammen. In ihrem Alter war Raunigk, die bereits Mutter von 13 Kindern im Alter zwischen neun und 44 Jahren ist, nicht mehr in der Lage, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Weil jedoch die Eizellspende in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz verboten ist, reiste Raunigk für diese Methode in die Ukraine. Wie die Recherchen von Morgenpost-Reporter Vitali Bahdanau ergeben haben, existiert dort ein florierender Zweig für Reproduktionsmedizin, der sich vor allem auf Kundinnen aus Deutschland spezialisiert hat.
Kliniken werben offensiv
Der Bericht über die außergewöhnliche Risikoschwangerschaft wirft dabei auch ein Schlaglicht auf den florierenden Zweig der Reproduktionsmedizin in der Ukraine, der sich vor allem auf deutsche Kundinnen spezialisiert hat. Denn dort ist erlaubt, was in Deutschland undenkbar ist, wie die Recherchen des russischsprachigen Morgenpost-Reporters Vitali Bahdanau ergeben haben.
Vor eineinhalb Jahren hatte sich die Grundschullehrerin Raunigk, bereits Mutter von 13 Kindern im Alter von neun bis 44 Jahren, erneut für eine Schwangerschaft entschieden. Weil die 65-Jährige jedoch längst nicht mehr fruchtbar war, reiste sie für Eizellenspenden, künstliche Befruchtungen und Hormontherapien in das osteuropäische Land. In Deutschland wäre ein solcher Eingriff nicht möglich gewesen. Eine künstliche Befruchtung mit Eizellen-Spende ist nach dem Embryonenschutzgesetz verboten.
Ukrainische Kliniken und Praxen werben auf Deutsch
Im Internet finden sich demnach etliche deutschsprachige Seiten von ukrainische Kliniken und privaten Praxen, die Behandlungen aus dem Bereich der Reproduktionsmedizin anbieten. Die Ukraine gilt inzwischen sogar als Geheimtipp für deutsche Frauen, die auf diese Weise ein Kind bekommen möchten, wenn sie dazu aus Alters- oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sind. „Es gibt keine absolute Unfruchtbarkeit! Wir behandeln sogar die hoffnungslosesten Fälle, indem wir die effektivsten Methoden der Reproduktionsmedizin verwenden“, schreibt beispielsweise die Klinik Biotexcom in der Hauptstadt Kiew.
Die Klinik wirbt unter anderem damit, dass sie auch zwei Frauen im Alter von 66 Jahren geholfen habe, ein Kind zu bekommen: Eine von ihnen sei eine pensionierte Pfarrerin aus der Schweiz, die mit Hilfe der Einrichtung Zwillinge auf die Welt gebracht habe. Auch eine 66-jährige Frau aus Frankfurt sei vor kurzem bei Biotexcom erfolgreich befruchtet worden, hieß es. Etwa fünf Jahre lang sei sie zuvor auf der Suche nach der passenden Klinik gewesen. In Moskau sei sie beispielsweise abgelehnt worden, weil sie alleinstehend war. Auch in vielen anderen Ländern habe sie kein Glück gehabt, weil dort Eizellenspenden zwar erlaubt, aber anders als in der Ukraine mit einer Altersgrenze versehen seien.
9900 Euro für das Paket Eizellspende
Auch über die Kosten gibt es konkrete Angaben, wie die Recherchen der Morgenpost ergeben haben: Das Paket Eizellspende kostet bei der Kiewer Klinik 9900 Euro – zumindest dann, wenn lediglich die Eizellspende und keine Samenspende erforderlich ist. Das Paket umfasst zwei Aufenthalte in der Ukraine: Der erste Besuch dauert ein bis zwei Tage und beinhaltet das Erstgespräch mit dem Arzt und alle medizinischen Untersuchungen. Der zweite Aufenthalt dauert zwischen fünf und zehn Tagen. Hier erfolgt die Implantation der Embryonen, die zuvor in vitro gezeugt wurden. Die Auswahl der Eizellspenderin erfolgt dabei wie aus dem Katalog: Die Patientin kann etwa die Körpergröße, das Gewicht, die Haar- und Augenfarbe der Spenderin auswählen. Wenn die Behandlung erfolgreich ist – und die Patientin ihr Baby in der Ukraine zur Welt bringt – kümmert sich die Klinik auch um die Ausstellung der Geburtsurkunde und die Ausfertigung des Passes für das Kind, damit es mit seinen Eltern aus dem Land ausreisen kann. Doch auch in der Ukraine sind nicht alle Kliniken bereit, Frauen in einem ungewöhnlich hohen Alter zu behandeln. Etwa bei der Klinik „Isida“ liege die Höchstgrenze bei 51 Jahren, wie die Managerin auf Morgenpost-Anfrage mitteilte.
Frauenärzte warnen vor Risiken
Während die in Spandau lebende Annegret Raunigk gegenüber dem Sender RTL mehrfach betonte, sie fühle sich „fit und gesund“ genug, eine Vierlingsschwangerschaft auszutragen, warnen deutsche Frauenärzte vor großen gesundheitlichen Risiken. Vierlingsschwangerschaften seien „in jedem Alter mit erheblichen Risiken und Gefahren für Mutter und Kinder verbunden“, erklärte der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) am Dienstag in Berlin. So steige das bei einer älteren Frau ohnehin schon erhöhte Thromboserisiko. Auch das Risiko für Bluthochdruck und Schwangerschaftsdiabetes sei bei Mehrlingsschwangerschaften – unabhängig vom Alter – erhöht. Außerdem könnten durch die Überdehnung der Gebärmutter schwere Blutungen entstehen. Den Babys drohe während der Schwangerschaft eine Unterversorgung und schließlich eine Frühgeburt mit andauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Seh- und Hörschäden sowie Entwicklungsstörungen. „Es ist ausgeschlossen, dass Vierlinge reif geboren werden“, erklärte der Berufsverband. Vierlingsschwangerschaften werden demnach im Durchschnitt bereits nach 31 Schwangerschaftswochen beendet. Auch die „Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder ihre Mutter noch nach ihrem 20. Lebensjahr haben, ist gering“.
Nach Angaben der Frauenärzte bedeute jede Schwangerschaft unabhängig vom Alter der Mutter eine erhebliche Belastung für Körper und Kreislauf. Von einer Schwangerschaft wie im Fall der 65-Jährigen, die mittels Samen- und Eizellspende und mit Hilfe einer Hormonbehandlung entstand, „kann deshalb nur abgeraten werden“. Solche Einwände gegen ihre späte Schwangerschaft wies Raunigk in der RTL-Sendung „Extra“ jedoch zurück. „Ich finde, das muss man für sich selber entscheiden“, sagte sie. Risiken gebe es schließlich in jedem Alter. Eine sogenannte Reduktion, also ein selektiver Schwangerschaftsabbruch bei Mehrlingsschwangerschaften, sei für sie nie in Frage gekommen.
Von Von Isabell Jürgens und Vitali Bahdanau
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