Die verbotenen Babys
Die Eizellspende ist in Osteuropa ein lukratives Geschäft geworden. In Deutschland ist es dagegen verboten. Aus gespendeten Eizellen neues Leben erwachsen zu lassen, wäre eine Straftat. Umgekehrt sind aber Samenspenden erlaubt. Hat diese Ungleichbehandlung noch Zukunft?
Das Ehepaar Ehlers ist guter Hoffnung; mit 100-Prozent-Garantie. Im Juli haben sie den Vertrag über ein „Rundum-sorglos-Paket“ für ein Kind zum Preis von 30 000 Euro in einer Klinik in Kiew abgeschlossen. Sie haben fünf mögliche Eizellspenderinnen, die Martina Ehlers ähnlich sehen, in einer umfangreichen Fotodatenbank ausgewählt. Michael Ehlers hat eine Samenspende für die künstliche Befruchtung hinterlassen, und sie haben eine Leihmutter gebucht. Im nächsten Jahr werden sie wieder in die Ukraine reisen und das Neugeborene abholen.
Endlich, ein Kind! Für die Ehlers geht damit ein Traum in Erfüllung – und ein Albtraum zu Ende. Er begann vor fünf Jahren, als Martina Ehlers nach einer Infektion ihre Zwillinge verlor. Eine Fehlgeburt. Spät, mit 42 Jahren war sie endlich schwanger geworden. Ihr Mann ist gut zehn Jahre jünger. Zwei weitere Male haben sie noch versucht, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Vergeblich. Die Schwangerschaften wurden zur Qual – mit der ständigen Angst vor Komplikationen und dem Schmerz, als es tatsächlich wieder geschah.
Samenspende reizvoller Nebenjob
Die Ärzte rieten ihr von weiteren Versuchen ab. Die Diagnose war eindeutig: Zu alt! Bei der Adoptionsstelle dieselbe Nachricht: Zu alt; die zulässige Altersgrenze liegt bei 35. Ein Mitarbeiter empfahl ihnen, ihren Kinderwunsch zu vergessen. Mit ihrer leidvollen Geschichte seien sie ohnehin nicht die Muster-Adoptionseltern, die er sich wünsche.
Vergessen? Viele Paare können damit leben, unfreiwillig kinderlos zu bleiben. Aber nicht alle. Einige Beziehungen zerbrechen daran; andere suchen Hilfe bei Ärzten. Ist der Mann zeugungsunfähig, ist die Lösung fast schon Routine. Die Samenspende ist in Deutschland nicht verboten; und für manche Männer sogar ein reizvoller Nebenjob. Pro Spende zahlt die Samenbank etwa 100 Euro. Gut ein Dutzend dieser Gefrierlager gibt es in Deutschland.
Zehntausende Kinder sind seit den Siebzigerjahren mit fremdem, aufgetautem Sperma gezeugt worden, sei es durch Einsatz in die Gebärmutter oder durch Befruchtung im Reagenzglas. Kein Gesetz regelt, ob sich auch Singles oder lesbische Paare auf diese Weise ihren Kinderwunsch erfüllen dürfen – der behandelnde Arzt entscheidet.
Eizellspende seit 1991 verboten
Doch was tun, wenn die Frau gesundheitliche Probleme hat? In diesem Fall hält sich Vater Staat nicht raus. Die Eizellspende ist seit 1991 in Deutschland, anders als in den meisten anderen europäischen Ländern, verboten. Ärzte, die Adressen im Ausland vermitteln oder die Behandlung unterstützen, machen sich strafbar.
Paare, die sich durch diese Ungleichbehandlung von Samenspenden und Eizellspenden diskriminiert fühlten, wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2011 ab. Das Verbot sei legitim, urteilten die Richter. Aber ist es gerecht?
Der Deutsche Ethikrat hat sich bei seiner Jahrestagung 2014 mit der Frage beschäftigt, ob es nicht an der Zeit sei, das Verbot zu lockern. Schließlich ist die Eizellspende heute, anders als vor 25 Jahren, eine bewährte Methode der Reproduktionsmedizin, ebenso wie das Tieffrieren von Embryonen und Eizellen.
Sogar die Transplantation einer gespendeten Gebärmutter, als Alternative zur Leihmutter, wird gerade in England erprobt. Außerdem werden in deutschen Laboren unzählige Eizellen, die bei der künstlichen Befruchtung übrig bleiben, paradoxerweise vernichtet, weil das Embryonenschutzgesetz es verlangt. Man könnte sie auch verwenden. Könnte.
Fragt man die Befürworter des Verbots nach ihren Motiven, wird in der Regel als Erstes auf die unterschiedliche „Belastung“ verwiesen. Während dem Mann das „Spenden“ leicht fällt, muss die Frau mit Hormonspritzen stimuliert werden. Die Entnahme der Eizellen geschieht unter Vollnarkose durch Punktion.
Nur in Ländern wie Spanien oder Tschechien, wo den Frauen der Eingriff mit 600 bis 800 Euro honoriert wird, ist die Spendenbereitschaft so groß, dass Kliniken europaweit um „Kunden“ werben können. 40 Kinderwunschzentren gibt es allein in Tschechien. Experten schätzen, dass etwa 2000 deutsche Paare im Jahr das Angebot nutzen. Mit steigender Tendenz. Denn die deutsche Politik hat nicht vor, am Verbot zu rütteln, solange die Reformgegner in der öffentlichen Debatte das Wort führen.
Kinderlosigkeit ein Lifestyle-Problem?
Bei der Jahrestagung des Ethikrates standen sich die Lager gegenüber. Die einen verteidigten den „sanften Paternalismus“ des Staates zum Schutz der Gesundheit potenzieller Eizellspenderinnen und zum Wohle der Kinder, die ein Recht auf die „eindeutige Identität der Mutter“ hätten. Anders als bei der Samenspende gibt es bei der Eizellspende zwei „biologische“ Mütter – die Spenderin und jene, die das Kind austrägt. Wird eine Leihmutter beauftragt, stehen sogar drei Frauen an der Wiege.
Die Verbotsgegner argumentierten dagegen, dass es das fundamentale Recht des Einzelnen sei, selbst zu entscheiden, ob, wann und wie er sich fortpflanzen will. Der Staat dürfe nicht eine medizinische Behandlung untersagen, die die Folgen von Sterilität lindert. Es komme ja auch niemand auf die Idee, die Nierenspende zu verbieten, nur weil der Eingriff riskant sei. Zudem verpasse man die Chance, für die Eizellspende klare gesetzliche Regeln aufzustellen – zum Beispiel über die Sicherung der Spenderinnen-Daten.
Nicht überall wird diese ethische Debatte so zurückhaltend geführt wie in Kongresssälen. Die Augsburger Paartherapeutin Christine Büchl, die sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Problem ungewollter Kinderlosigkeit beschäftigt, wirft der Politik vor, eine Erkrankung als Lifestyle-Problem abzutun.
Wunschkinder All Inclusive
Die österreichische Journalistin Eva Maria Bachinger ereifert sich dagegen in ihrem Buch über „wohlhabende Weiße“ und „Eliten“, die sich mit Hilfe von Eizellspenden und Leihmutterschaft zu Lasten der Armen fortpflanzten. Was von Feministinnen als Sieg gefeiert werde, sei vor allem ein florierender Markt für große Konzerne, die mit den Wünschen berufstätiger und älterer Frauen in der Menopause ihre Geschäfte machen.
Die Ehlers haben sich weder mit Diskussionen des Ethikrates beschäftigt noch interessieren sie sich für Brandreden aus Österreich. Zwei Mal hat Martina Ehlers noch versucht, mit einer Eizellspende – erst in Barcelona, dann in Prag – ein Kind auszutragen. Vergeblich. Bei RTL 2 haben sie in der Doku-Soap „Wunschkinder“ von der Klinik in Kiew erfahren. Kurzfristig hatten sie noch eine Reise in die USA erwogen. Doch das Angebot inklusive Flug, Hotel und dreier Leihmütter für 120.000 Euro war ihnen am Ende zu teuer.
Die Dienstleistung in der Ukraine ist vom Feinsten. Alle Formalitäten übernimmt die Klinik: Das Standesamt stellt die Geburtsurkunde aus, wenn es so weit ist, und bei der deutschen Botschaft liegt der deutsche Pass bereit, sobald die Leihmutter eine Verzichtserklärung unterschrieben und Michael Ehlers die Vaterschaft anerkannt hat. Danach geht es mit dem Kind heim nach Deutschland.
Ein Leben ohne? Unvorstellbar für die Ehlers. Im Wohnzimmer hängt ein Foto ihrer friedlich schlafenden Zwillinge, das ihnen die Klinik nach der Fehlgeburt geschenkt hat. Ein paar Monate lang konnte es Martina Ehlers nicht anschauen. Jetzt weiß sie: Sie gehören zu ihrem Leben.
Quelle: http://www.lvz.de/Sonntag/Top-Thema/Die-verbotenen-Babys-Das-Geschaeft-mit-der-Eizellspende