Käufliches Elternglück

30.05.2013 – In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten, in der Ukraine hingegen erlaubt – aber nur heterosexuellen Eltern. Homosexuelle Paare weichen nach Indien oder Kalifornien aus. Probleme bei der Einreise der Babys lassen sich umgehen.

Olga posiert in einem knappen roten Bikini am Strand und lächelt in die Kamera. 1,66 Meter groß ist sie und wiegt 56 Kilo. So heißt es in der Beschreibung neben ihrem Foto im Internet. Die weiteren Angaben: 26 Jahre alt, Blutgruppe 0, Rhesus positiv, Augenfarbe braun, Hautfarbe hell, Gesichtsform rund. Sie mag Sport, trinkt nicht, raucht nicht und hat auch sonst keine schlechten Angewohnheiten. Olga ist Ukrainerin und möchte Kunden aus Deutschland und aller Welt ihre Eizellen verkaufen.

Sie arbeitet wie etwa 190 andere ukrainische Frauen für die Agentur Biotexcom. Die Agentur wirbt auf ihrer Internetseite mit unterschiedlichen „Paketlösungen“. Das „Successpaket“ ist gerade im Angebot und kostet statt sonst 12000 Euro nur 9900 Euro. Für diesen Betrag kann sich eine Kundin aus Deutschland die Eizelle einer ukrainischen Spenderin einsetzen lassen. Eine unbegrenzte Anzahl von Versuchen ist garantiert; falls es doch nicht klappt, gibt es das Geld zurück. Will oder kann die deutsche Frau die fremde Eizelle nicht selbst austragen, ist das „Idealpaket“ eine Alternative. Die Eizelle einer ukrainischen Spenderin, befruchtet mit dem Samen des deutschen Ehemannes, wird dann einer anderen Ukrainerin, einer Leihmutter, eingesetzt. 27900 Euro kostet dann das Produkt „Kind auf den Arm“.

Verpflegung inklusive

Am Telefon gibt es eine eingehende Beratung in nahezu perfektem Deutsch. Die Mitarbeiterin erläutert, was alles inklusive ist: Abholen vom Flughafen in Kiew, Unterbringung in einer „gemütlichen Wohnung“ mit TV, Küche und Kühlschrank. Verpflegung sei „selbstverständlich“ auch im Preis inbegriffen. Die Kunden dürfen aus der Datenbank die Eizellenspenderin aussuchen. Diese Entscheidung sei sehr wichtig, denn der Phänotyp der Eizellenspenderin werde an das gewünschte Kind weitergegeben. Biotexcom sucht dann die dazu passende Leihmutter aus. „Wie die aussieht, ist nicht so wichtig, denn die Gene der Leihmutter haben mit dem Kind nichts zu tun“, heißt es am Telefon.

Sehr geschäftsmäßig berichtet die Mitarbeiterin auch, wie bei Fehlgeburten, Fehlbildungen und Totgeburten verfahren wird. „Verliert die Leihmutter das Kind bis zum dritten Schwangerschaftsmonat, wird das Programm ohne Zusatzkosten von neuem begonnen.“ Bei Fehlgeburten bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat gebe es 80 Prozent Rabatt auf den wiederholten Versuch, nach dem sechsten Monat bleibe noch ein Rabatt von 60 Prozent. Die Klinik arbeite mit Präimplantationsdiagnostik. Wenn sich ein genetischer Defekt herausstelle, würden die Kunden gefragt, ob sie das Kind trotzdem wollten. Totgeburten habe es noch nicht gegeben. Doch die Mitarbeiterin meint, es sei angemessen, der Leihmutter eine Entschädigung von 2000 Euro zu zahlen und es dann noch einmal zu versuchen.

Keine Anerkennung in Deutschland

Auch rechtlich ist die Mitarbeiterin geschult. Sie kennt die deutschen Bestimmungen über Mutterschaft und Staatsangehörigkeit, aber sie weiß auch, was da zu tun ist. „Bei uns hat es noch nie Probleme bei der Ausreise des Kindes gegeben“, sagt sie. „Leihmutterschaft ist in der Ukraine legal. Sie übertreten hier kein Gesetz.“ Einzige Voraussetzung: Nur verheiratete Paare dürfen sich ein Kind austragen lassen.

In Deutschland dagegen ist Leihmutterschaft verboten. Die Mutter eines Kindes ist die Frau, die das Kind geboren hat, so heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Ein Vertrag über Leihmutterschaft ist nach deutschem Recht sittenwidrig und daher nichtig. Wer eine Leihmutterschaft vermittelt, macht sich strafbar. Einem Arzt, der die künstliche Befruchtung einer Leihmutter vornimmt, drohen sogar bis zu drei Jahre Gefängnisstrafe. Ausländische Geburtsurkunden, auf denen die deutschen Wunscheltern eingetragen sind, werden in Deutschland nicht anerkannt.

Zum Schutz der Mutter und des Kindes

Das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland diene dem Wohl der Mutter und des Kindes, heißt es aus dem Bundesjustizministerium. Das Verbot soll die Beziehung, die sich zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft entwickelt, schützen. Es könne „psychische Konflikte“ geben, wenn die Leihmutter das Kind behalten will und es ihr zur Not mit Gewalt genommen wird, so der Sprecher des Justizministeriums. Gerade Frauen in Notlagen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen für eine Leihmutterschaft entscheiden, könnten sich über die psychischen Folgen im Unklaren sein. Ein Kind solle keine Ware sein, die „zu Preisen eines Mittelklassewagens“ zum Verkauf steht, schrieben zwei deutsche Rechtswissenschaftler in den achtziger Jahren. Außerdem bestehen gesundheitliche Risiken bei Leihmutterschaft und Eizellenspende. Es gibt zum einen die Gefahren, die jeder Schwangerschaft immanent sind. Zum anderen kann es durch die Stimulation der Eierstöcke bei der Eispenderin zu einer Überreaktion kommen, im schlimmsten Fall mit tödlichem Ausgang.

Von psychischen oder gesundheitlichen Risiken will die Mitarbeiterin von Biotexcom hingegen nichts wissen. „Die Leihmütter wissen von vornherein, dass sie ihr Kind direkt nach der Geburt abgeben müssen.“ Außerdem würden sie vor Aufnahme in das Programm getestet. Nur wer „psychisch ganz normal“ sei, werde aufgenommen. Gesundheitlich würden die Frauen während der gesamten Schwangerschaft überwacht. Leihmütter, die trinken oder rauchen, würden sofort aus dem Programm geworfen und müssten eine Geldstrafe bezahlen.

Leihmutterschaftstourismus

Die restriktive Gesetzeslage in Deutschland dient kaum mehr zur Abschreckung. Immer mehr Paare aus Deutschland sehen die Lösung ihres unerfüllten Kinderwunsches im Ausland. 155 Leihmutterschaften hat allein Biotexcom im Jahr 2012 vermittelt, ein großer Teil davon an Paare aus Deutschland. Regen Leihmutterschaftstourismus gibt es auch in Indien und einigen amerikanischen Bundesstaaten, wie etwa Kalifornien. Was der Gesetzgeber in Deutschland um jeden Preis zu verhindern versucht, das fördert er indirekt im Ausland.

Das zeigt sich schon daran, dass sich nach deutschem Recht nur strafbar macht, wer eine Leihmutterschaft organisatorisch oder medizinisch begleitet. Wer ein Kind im Ausland austragen lässt, wird dagegen nicht belangt. Die Einreise der im Ausland geborenen Kinder bereitete in der Vergangenheit vielfach Schwierigkeiten. Auch hier gibt es in jüngerer Zeit aber Bewegung. Die Botschaften in Indien und der Ukraine weigerten sich früher stets, einen deutschen Kinderpass auszustellen. Nach deutschem Recht ist die Leihmutter die Mutter des Kindes; der Ehemann der Leihmutter wird als Vater des Kindes angesehen – jedenfalls solange der biologische Vater die Vaterschaft des Ehemannes nicht angefochten hat. Deutsche Verwaltungsgerichte, die über die Staatsangehörigkeit solcher Kinder zu entscheiden hatten, urteilten auch mehrfach, dass das Kind einer verheirateten ausländischen Leihmutter kein deutsches Kind sei. Zugleich wiesen die Gerichte aber einen Weg, das Problem zu umgehen: Die Leihmutter darf nicht verheiratet sein.

Ein homosexuelles deutsches Paar hatte ein Kind von einer unverheirateten Leihmutter in Indien austragen lassen, den Samen hatte Axel Haase, einer der beiden Männer gespendet. Die Botschaft wollte für das Kind keinen deutschen Pass ausstellen. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin hat das Paar mit den Vertretern des Auswärtigen Amts einen Vergleich geschlossen: Das Kind bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit, aber das Paar zieht seine Klage zurück. „Das Auswärtige Amt wollte um jeden Preis einen Präzedenzfall verhindern, nach dem Kinder unverheirateter ausländischer Leihmütter Deutsche sind“, sagt Haase. Ein solches Urteil hat aber dann das Oberlandesgericht Düsseldorf gefällt. Haase und sein Lebenspartner stritten sich mit dem Standesamt Neuss darüber, wer als Vater ins Geburtenregister eingetragen wird. Das Standesamt argumentierte, es wolle die in Deutschland verbotene Leihmutterschaft durch Eintragung ins Geburtenregister nicht im Nachhinein legalisieren. Das Oberlandesgericht sah es aber als erwiesen an, dass Axel Haase der biologische Vater ist und daher ins Geburtenregister einzutragen sei. Für die Entscheidung sei es auf die deutschen Gesetze, die Leihmutterschaft verbieten, nicht angekommen, heißt es in dem Urteil lapidar.

Die ukrainische Agentur Biotexcom hat dieses Schlupfloch im deutschen Recht längst entdeckt. „Für unsere deutschen Kunden suchen wir nur ledige Leihmütter aus“, erläutert die Mitarbeiterin. Dieses Konzept scheint reibungslos zu funktionieren: „Unsere Kunden hatten noch nie Probleme bei der Ausreise.“ Und das, obwohl Biotexcom seinen Kunden empfehle, der Botschaft die Wahrheit über die Leihmutterschaft zu sagen. „Wir arbeiten sehr eng mit der Botschaft zusammen“, heißt es im Leihmutterschaftsvertrag von Biotexcom. Auf der Internetseite der Botschaft wird zwar auf das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland verwiesen. „Allerdings“, so heißt es, „kann die rechtliche Abstammung vom deutschen genetischen Vater nach deutschem Recht unter der Voraussetzung hergestellt werden, dass erstens die Leihmutter nicht verheiratet ist und zweitens der Wunschvater mit Zustimmung der Leihmutter die Vaterschaft formwirksam anerkennt.“

Amerika ist teurer

„Solange Sie den Kinderpass für die Ausreise nach Deutschland nicht erhalten haben, müssen Sie auch nicht vollständig für die Leihmutterschaft bezahlen“, verspricht Biotexcom. Erst durch die Mithilfe der deutschen Botschaft erfüllt die Firma ihre vertragliche Verpflichtung vollständig. In Deutschland kann dann die Ehefrau das Kind ihres Mannes adoptieren. Die Leihmütter in der Ukraine willigen direkt nach der Geburt in die Adoption ein.

Axel Haase und sein Lebenspartner hätten in der Ukraine kein Kind bekommen. Homosexuellen Paaren ist es dort nicht erlaubt, ein Kind von einer Leihmutter austragen zu lassen. Nach den Erfahrungen mit der Botschaft in Delhi entschieden die beiden sich für eine Leihmutter in Kalifornien. Sie trug Zwillinge für das Paar aus. Amerika ist teurer als Indien, mindestens 50000 Dollar muss man für ein Kind auf den Tisch legen. Die deutschen Behörden seien dieses Mal aber sehr kooperationsbereit gewesen, berichtet Haase. „Ich hatte vorher ganz klar gesagt, dass entweder alles reibungslos läuft oder wir vor Gericht ziehen.“ Dann habe es keine Probleme mehr gegeben. Die beiden in Kalifornien geborenen Mädchen haben die deutsche und die amerikanische Staatsangehörigkeit.

„Eine Möglichkeit, Geld zu verdienen“

Am liebsten wäre es Axel Haase, wenn er und andere Deutsche mit Kinderwunsch nicht mehr ins Ausland müssten. Er will, dass Leihmutterschaft oder zumindest Eizellenspende auch in Deutschland legalisiert werden. Dieselbe Forderung findet sich in Hunderten von Einträgen in Internetforen: „Wir haben doch auch ein Recht auf ein genetisch eigenes Kind!“ Oder: „Ich bin Christin und glaube nicht, dass Gott wirklich will, dass Frauen unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch so leiden!“ Biotexcom sieht sich in der Vermittlung von Leihmüttern gar biblisch legitimiert. Auf der Internetseite findet sich der Hinweis, auch Abraham, der Stammvater Israels, habe sich seiner Dienerin Hagar als Leihmutter bedient.

Eine Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland scheint derzeit nicht mehrheitsfähig. Die Meinungen sind kontrovers, auch innerhalb der Fraktionen. Die Sprecher des Bundesjustizministeriums und Bundesgesundheitsministeriums lehnten eine Stellungnahme ab. Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, will zwar eine „breite Diskussion“ über das Thema führen. „Für mich dominieren bislang aber die Argumente gegen die Zulassung der Leihmutterschaft.“ Ingrid Hönlinger, Grünen-Obfrau im Rechtsausschuss des Bundestages, will an dem Verbot der Leihmutterschaft „aus ethischen Gründen“ nichts ändern. Sie befürchtet, dass die Notsituation von Frauen ausgenutzt werden könnte. Ulrike Flach, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium und Bundestagsabgeordnete der FDP-Fraktion, sagte dieser Zeitung: „Ich setze mich als Abgeordnete der FDP schon länger für ein liberaleres Fortpflanzungsrecht ein. In diesem soll auch die Leihmutterschaft erlaubt werden. Ich bin allerdings der Meinung, dass das kein Geschäft gegen Bezahlung sein darf.“ Wie viel von den 27900 Euro für ein Kind aus der Ukraine bei der Eizellenspenderin und der Leihmutter ankommt, wollte Biotexcom nicht sagen. Doch für die Frauen sei es „eine Möglichkeit, Geld zu verdienen“, heißt es.

Von Helene Bubrowski

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/leihmutterschaft-kaeufliches-elternglueck-12201752.html